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Wieviel Tele braucht man wirklich?

Ein Erfahrungsbericht von Wolf-Dieter Peest.

Es kommt einmal der Tag, da wird ein Hobby zur Berufung oder gar zur Sucht und man strebt nach immer besseren Ergebnissen. Das bisher doch so völlig ausreichende Equipment ist nun doch nicht mehr zufriedenstellend, weil die eigenen Ansprüche an die erreichbare Qualität stets steigen. Spätestens dann stellt sich die typische Frage: Welches Teleobjektiv kann meine zukünftigen Ansprüche befriedigen? Für manche Fotografen schon fast eine Glaubensfrage…

Wie es begann…

Ein guter Fotofreund sagte mir mal vor über 10 Jahren: „Ein Naturfotograf, der etwas auf sich hält, hat ein 2,8/ 300 und viel Geld!“. Das galt noch zu Analogzeiten, weil die Anfangsblende 2,8 wegen der Verwendung von niedrig-empfindlichem Filmmaterial sehr wichtig war. Aber auch die Konvertertauglichkeit spielt hier eine große Rolle. So sehen das auch heute noch sehr viele Fotografen – man hat ja mit einem leichten, noch freihandtauglichem 2,8/300 L mit 2fach-Konverter noch ein brauchbares 5,6/600er zur Verfügung. Das stimmt allerdings nicht ganz und ist wie so oft im Leben nur die halbe Wahrheit. Ich spreche da aus eigener Erfahrung: Mich begleitete eine lange Zeit ein 2,8/300 L (zuerst ohne und später mit Bildstabilisator).Dies war aus Kostengründen damals mein einziges Teleobjektiv. Aber schon nach recht kurzer Zeit merkte ich, dass ich dieses Teleobjektiv fast ausschließlich mit 2fach-Konverter benutzte. Ich machte ihn oft schon gar nicht mehr ab und begann immer häufiger zu grübeln, dass es so eigenlich nicht mehr weitergehen konnte. Die Ergebnisse damals waren zwar recht zufriedenstellend – besonders leicht abgeblendet waren sie sogar sehr gut. Aber warum gab es dann überhaupt noch die großen 500er und 600er-Festbrennweiten im Canon-Programm?

Auf das 2,8/400 L, welches inzwischen in drei verschiedenen Versionen aufgelegt ist, will ich nur kurz eingehen – ich hatte die legendäre 2,8/400 L USM Version II, den Vorgänger der immer noch aktuellen IS – Version. Auch dieses Objektiv benutzte ich überwiegend mit Konverter, weil die reinen 400 mm in unserer heimischen Natur meist zu kurz sind. Dieses Objektiv ist uneingeschränkt 2-fach Konverter tauglich, aber mit 6 kg auch richtig schwer und sehr unhandlich. Meines Erachtens liegt dies an der ungünstigen Gewichtsverteilung: Die kurze Baulänge und die Vorderlastigkeit der schweren Linsen, bedingt durch die hohe Anfangsöffnung 2,8, fordern eben ihren Tribut! Trotzdem ist dieses Objektiv einmalig in seiner Leistung und Performance und wird deswegen sehr häufig in der professionellen Sportfotografie eingesetzt.

Einige Jahre benutzte ich dann mit großer Zufriedenheit das „alte“, inzwischen nicht mehr gebaute 4,5/500 L USM. Dieses Objektiv ist allerdings nur bedingt konvertertauglich. Schon bei Verwendung des 1,4fach-Konverters war man nominell bei der Blende 6,3, mit der bei vielen EOS- Gehäusen aus dem semiprofessionellen Bereich der Autofocus nicht mehr funktioniert. So war man auf Fremdkonverter (z.B. Soligor oder Kenko ) angewiesen, die die Blendenübertragung an die Kamera nicht weitergaben. Für mich persönlich stellte dies freilich immer eine Notlösung dar.

Die Jahre vergingen und als Canon ziemlich unspektakulär im September 1999 zu den French Open ihre komplette Supertele – Brennweitenpalette neu vorstellte, war bei mir der Punkt gekommen, an dem ich mir dachte: Jetzt haben wir Naturfotografen genau das was wir schon immer wollten! Bei allen neuen Teleobjekiven ein eingebauter Bildstabilisator mit zwei unterschiedlichen Stufen (die erste Stufe für statische Aufnahmen , die zweite für dynamische Mitziehaufnahmen in der Horizontalen). Gewichtsreduzierung durch neue Materialien wie die Magnesiumlegierung, Abdichtungen aller Schalter gegen Spritzwasser, kürzere Naheinstellgrenzen, AF – Stopptasten vorne am Objektiv und völlige optische Neurechnungen, die für noch bessere Abbildungsleistungen sorgen sollten. Ins Auge gefasst hatte ich die Neuauflage des alten 4,5/500 L, nämlich das neue 4,0/ 500 L USM IS. Endlich hatte Canon hier nachgebessert und die Anfangsblende auf 4 reduziert. So geschehen im Jahr 2000, und ich komme seither nicht mehr von diesen genialen Objektiven los. Schon die technischen Daten dieses 4,0/500 L USM IS lesen sich sehr beeindruckend:

  • Baulänge: 38,7 cm
  • Gewicht: 3,87 kg ( mit Stativschelle )
  • Naheinstellgrenze: 4,5 m
  • Optischer Aufbau: 17 Linsen in 13 Gliedern
  • Öffnungsverhältnis: 500 mm 1 : 4
  • Zwei UD-Glas und eine Calciumfluoridlinse
  • USM – Ringmotor mit verbessertem Foccusieralgorhythmus

Aber all diese schönen technischen Eigenschaften sagen noch nichts aus über das wirkliche Potenzial dieser Linse. Aus vielen Jahren Praxis im Umgang mit diesem großen Tele kann ich nur sagen: „Warum gab es so ein Teil nicht schon früher?“. Der Umgang mit diesem 4/500er ist eine reine Freude! Ob aus dem Auto, vom Sandsack aus oder mal eben an einem Baum angelegt – kurz aus jeder sich ergebenden Situation heraus – auch mal frei Hand mit Ellenbogen am Brustkorb abgestützt, schafft es diese Linse immer wieder mich aufs Neue zu faszinieren. Ob es die unglaubliche Schärfe und Brillanz schon bei Offenblende ist oder die wunderbare Naheinstellgrenze, die – wenn man Zwischenringe benutzt – sogar für Makroaufnahmen geeignet ist. Wie beispielsweise Libellen oder Schmetterlinge oder eine formatfüllende Küchenschelle aus großer Entfernung! Bei diesem Bild war sogar der 2 x Konverter im Einsatz. Ebenso hervorzuheben ist die uneingeschränkte hervorragende Konvertertauglichkeit, ob mit dem 1, 4fach oder gar 2fach-Konverter! All diese genannten Eigenschaften lassen in der Summe als Ganzes ein echtes Supertele zur Realität werden. Hier ist der Kompromiss aus Gewicht, Handling, optischer Leistung und Brennweite wirklich gelungen. Jedem Naturfotografen sei es ans Herz gelegt – wer wirklich mit großem Enthusiasmus und viel Ehrgeiz sein wunderbares Hobby betreibt, sollte sich diesen Traum erfüllen – er wird es nie bereuen.

Aber da der Mensch bekanntlich ja nie zufrieden ist, bleibt auch in Sachen Teleobjektiv immer noch eine Steigerung möglich. Im Kopf schwirrte mir schon lange der Gedanke herum, dass es da ja noch ein 4/600 L USM IS gab. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Umgang mit so einem Tele nicht gerade als einfach einzustufen ist. Ein schweres stabiles Stativ und ein ebenso stabiler Kugelkopf oder Fluidneiger sind quasi Pflicht, besonders wenn man das 4/600 L ohne Bildstabilisator besitzt. Auch ich hatte für ein halbes Jahr diese ältere Version ohne IS und war damit nie so richtig warm geworden. Mir fehlte einfach der IS, den ich so von meinem 500er IS gewohnt war. Natürlich war die optische Leistung über jeden Zweifel erhaben und auch der Zugewinn an 100mm Brennweite bringen in der Praxis schon sehr viel. Mit 2fach-Konverter bekommt man mit bei 1200mm Brennweite schon einen gewaltigen Aktionsradius bei Wildlifeaufnahmen. Gerade in unseren Breiten kann man bei der doch recht hohen Fluchtdistanz der Tiere nie genug Brennweite zur Verfügung haben. Also entschloss ich mich, mein 600er ohne IS gegen die neuere Version mit IS einzutauschen. Auch hier hat sich gegenüber dem Vorgänger einiges an technischen Neuerungen getan. Meine anfängliche Skepsis in Sachen Bildqualität war schnell verflogen, als ich die ersten Testbilder vor mir liegen hatte. Es gab und gibt immer noch einige Fotografen – ich gehörte auch dazu – die meinten dass die ältere Version in Sachen Schärfe und Brillanz die Nase vorn hätte. Ursache für diese Meinung ist aber eher, dass so gut wie kein Fotograf beide Objektive zeitgleich nebeneinander testen konnte. Das 600er ohne Bildstabilisator war schon – und ist es immer noch – eine Legende in Sachen Abbildungsleistung. Was soll da noch verbesserungsfähig sein? Aber auch hier gilt: Probieren geht über studieren. Hier muss man die feinen Unter-schiede in die Waagschale werfen und ich kam zu verblüffenden Ergebnissen. Ich konnte selbst feststellen, dass die neue Version mit IS in Sachen Bildqualität tatsächlich gegen die Legende standhalten und als mindestens ebenbürtig bewertet werden kann. Auch die IS-Version des 600er ist bei Offenblende ein Traum in Schärfe und Brillanz. Feinste Strukturen werden sauber wiedergegeben und machen jede Aufnahme mit dieser Linse zu etwas Besonderem. Uneingeschränkte Konvertertauglichkeit mit 1,4- und 2fach-Konverter, wobei auch damit der Bildstabilisator in allen Situationen vorbildlich arbeitet und es jedem Fotografen ermöglicht, seine Aufnahmen in perfekter Qualität umzusetzen.

Als entscheidende Verbesserung gegenüber dem Vorgänger ist hervorzuheben: natürlich der Bildstabilisator mit 2 Stufen, die reduzierte Naheinstellgrenze von ehemals 6 m auf 5,50 m, die etwas ausgewogenere Gewichtsverteilung bei gleichzeitiger Gewichtsreduzierung von ursprünglich 6 kg auf 5,36 kg, AF – Stopptasten und ein schnellerer USM – Ringmotor sowie Abdichtung aller Schalter gegen Spritzwasser.

  • Baulänge: 45,6 cm
  • Gewicht: 5,36 kg ( mit Stativschelle )
  • Naheinstellgrenze: 5,5 m
  • Optischer Aufbau: 17 Linsen in 13 Gliedern
  • Öffnungsverhältnis: 600 mm 1 : 4
  • Zwei UD-Glas und eine Calciumfluoridlinse
  • USM – Ringmotor mit verbessertem Foccusieralgorhythmus

Aber es ist ein Trugschluss zu glauben, man könne diese Linse wie etwa das 4,0/ 500 L IS auch mal frei Hand einsetzen – das sollte man sich wirklich nicht antun. Aber vom Sandsack oder einem kleinen Stativ, eventuell auch mal vom Einbeinstativ aus ist der IS schon wirklich einmalig. Hier zeigt sich der Unterschied zu der älteren Version am gravierendsten. War man doch bei der alten Version an ein stabiles Stativ gebunden oder vom Sandsack aus auf kurze Verschlusszeiten angewiesen, so ist es mit dem neuen 600er Dank des Bildstabilisators eine reine Freude, noch mit einer 125stel Sekunde gestochen scharfe Bilder zu bekommen. Viele werden sich jetzt wohl fragen: Warum hat Canon zwei Linsen mit ähnlichem Brennweitenbereich im Programm? Ein 500er und ein 600er? Die sind sich doch so ähnlich…aber nein, das sind sie eben nicht.

Mein abschließendes Fazit:

Das 500er ist uneingeschränkt auch noch bei längeren Wanderungen tragbar, es ist flexibel im Gelände bei Tarnansitzen in Gebieten, die man nur zu Fuß erreichen kann. Es ist eigentlich die perfekte Allroundlinse für die Telefotografie, bei der man noch recht mobil ist. Wer sich nicht beide Objektive leisten möchte oder kann, dem sei das 500er an erster Stelle zu empfehlen. Es ist quasi die Vernunftlinse für alle Fälle…

Aber für alle anderen Gelegenheiten die sich in der Natur nur schwer verändern lassen – weite Gebiete, die unübersichtlich sind und nur von einem festen Standpunkt aus genutzt werden können, wo ständig große Distanzen zu überbrücken sind und es auf den letzten mm Brennweite ankommt, wenn man aus festen Ansitzhütten oder Tarnverstecken fotografiert, Kleinvögel oder scheues Wild ganz oben auf der Wunschliste stehen hat und vieles mehr – für diese Art der Fotografie ist ein 4/600 L IS einfach genial! Nicht umsonst hatte Canon schon Anfang der 90er neben dem 2,8/300 L noch vor allen anderen L-Objektiven ein 4/600er im Programm – denn gerade in der Wildlife-Fotografie in Europa ist Brennweite durch nichts zu ersetzen – außer durch noch mehr Brennweite…
Beide Objektive haben also ihre Berechtigung im Canon-Programm und sind in der Summe ihrer Eigenschaften als einmalig anzusehen. Mit dem richtigen Gespür für den Moment und einem geschulten fotografischen Auge gelingen mit beiden Linsen Aufnahmen, die ihresgleichen suchen.Wohl dem, der die Wahl der Qual hat und sich immer für die vorhandene Location das richtige Objektiv mitnehmen kann.

Canon EF 600/4 L IS II
Canon Superzoom Canon 200-400