Sie haben Fragen? Wir beantworten sie gerne:

0177–8877835
naturfoto2000@aol.com

Canon EF 200-400mm 1:4 L IS USM Extender 1,4

Erste Eindrücke vom neuen Superzoom von Canon

Aus einer lang andauernden Machbarkeitstudie ist nun tatsächlich ein verfügbares Produkt gereift!

Die Anfänge

Schon vor sehr vielen Jahren war der renomierte Naturfotograf Fritz Pölking einer der Befürworter einer solchen Linse und tat dies auch öffentlich in verschiedenen Naturfotozeitschriften und Büchern kund. Dabei gab es von Canon ja schon Anfang der 80er Jahre so ein wunderbares Zoomobjektiv mit Alleinstellungsmerkmal, mit rotem Ring als L- Objektiv für den Canon FD Anschluß. Es kostete damals gute 12.000 DM, in der damaligen Zeit sicherlich auch nicht gerade ein Schnäppchen.
Ich selbst hatte zu analogen Zeiten das hervorragende und von vielen Tierfilmern auch heute noch benutze Canon FD 5,6/150-600 L Zoomobjektiv einige Jahre im Einsatz. Leider gab es nie einen Nachfolger dieser wirklich tollen Optik mit AF und IS. Bis zum Jahr 2013 mußten wir Naturfotografen warten, bis von Canon ein ebenbürtiger Nachfolger in den Startlöchern stand.

Es ist soweit

Offiziell seit dem 14 Mai 2013 angekündigt, bekommen ausgesuchte CPS-Händler und auch nur in homöopathischen Dosen das neue Superzoom geliefert. Also vor über zwei Jahren wurde man schon so langsam darauf vorbereitet, was denn in der Zukunft von Canon zu erwarten war. Die ersten Produktfotos dieser so herbeigesehnten Linse wurden ja schon bereits im Januar 2011 veröffentlicht. Dass es nun doch so lange bis zum fertigen Produkt bzw. zur Serienreife dauerte, konnte wohl Canon damals selber nicht absehen. Aber wie ich aus Insiderkreisen erfahren habe, durchlief dieses Zoom unzählige Testphasen auf den unterschiedlichsten Events. Es soll verschiedene Ausführungen und Fertigungsprototypen gegeben haben. Das alles war streng geheim und so ging eben doch viel Zeit ins Land. Die ein oder andere Naturkatastrophe tat auch noch ihren Teil dazu. Man wollte bei Canon aber wohl auch absolut sicher sein, das es von Anfang an ein Spitzenzoomobjektiv mit Alleinstellungsmerkmal wird.

Nun ja, jetzt habe ich eins dieser begehrten Objektive hier seit ein paar Tagen in ersten Feldversuchen im Einsatz und wollte kurz zusammenfassen, welchen Eindruck ich in dieser Zeit über diese Linse gesammelt habe. Leider spielte bei uns das Wetter in den letzten Tagen noch nicht so richtig mit, so das ich nur bei bedecktem Himmel, bzw. Regenwetter Bilder machen konnte. Was ich bis jetzt schon gesehen habe, hat mich echt begeistert.
In erster Linie ist da der eingebaute, völlig neu konstruierte und bei Bedarf zuschaltbare 1,4fach Extender zu nennen. Dieser ermöglicht einen Zooombereich von quasi 280 bis 560 mm. Der Verstellmechanismus geht über einen kleinen, seitlichen Schalter – in gefühlt einer Sekunde hat man den Extender ein oder ausgeschwenkt. Schneller geht es wirklich nicht. Das alles wirkt auf mich sehr stabil und durchdacht. Der Einsatz über einen langen Zeitraum wird zeigen, ob dieser Einschwenkmechanismus zuverlässig und haltbar ist. Bis 400 mm und nicht eingeschwenktem 1,4fach Extender liegt eine durchgehende Lichtstärke von 4,0 an. Mit dem eingeschwenktem 1,4fach Extender sind es dann durchgehend 5,6.
Canon bewirbt diese Optik mit Werbesprüchen wie „einzigartiges Superteleobjektiv mit überragender optischer Leistung“ – ebenfalls ein Zitat der Pressemitteilung vom 14 Mai 2013. Selbst mit den noch zusätzlichen verwendeten 1,4fach oder 2fach Konvertern der neuen Generation, soll es zu keinen bzw. kaum erkennbaren Leistungseinbrüchen kommen.

Das hat uns von Wildlife-Workshop natürlich aufhorchen lassen und so steht auch genau diese Aussage bei uns auf dem Prüfstand. Wir waren also echt gespannt was das neue Superzoom mit dem neuen 4-Stufen-Bildstabilisator, wie ihn alle neuen Teleobjektive bekommen haben, optisch wirklich leistet. Mit den technischen Daten, die dieses Objektiv betrifft, will ich hier an dieser Stelle nicht weiter langweilen, da diese auf der Canon Deutschland-Seite zu finden sind. Ein paar Eckdaten wollte ich aber doch der formhalber nennen.

  • Einsatz von Fluorit und UD Linsen
  • SWC-Vergütung zur Reduzierung von Streulicht
  • Fluorbeschichtung gegen Schmutzpartikel auf Vorder- und Hinterlinsen
  • Mangnesiumgehäuse an wichtigen Stellen, Schmutz- und Spritzwassergeschützt
  • Neuer Hochgeschwindigkeitsprozessor für lautlosen und schnellen AF
  • Eingebauter (speziell gerechneter) und bei allen Brennweiten zuschaltbarer 1,4fach Extender
  • Optischer 4 Stufen Bildstabilisator
  • 3 verschiedene IS-Modi
  • 9 Blendenlamellen, Kreisrund zur optimalen HG Wiedergabe (Bokeh)
  • Naheinstellgrenze von 2 m bei allen Brennweiten
  • Kompatibel mit 1,4fach wie 2fach Extender
  • 3620g Gewicht

Handling

Bevor es nun zu den ersten Eindrücken der optischen Leistung geht, möchte ich noch etwas zum Gewicht und Handling dieser Optik sagen. Es wirkt wie aus einem Guss, tolle Haptik und wertige Verarbeitung. Ein schöner, schwerer Brocken japanischer Ingenieurskunst. Es liegt satt und gut in der Hand. Auch mit angesetzter Kamera passt es fast in jeden normalen Rucksack, da die Baulänge mit nur 36,6cm (ohne Kamera) noch recht kurz ausgefallen ist. Auf Flugreisen wird es ideal im Handgepäck unterzubringen sein. Bestimmt wird gerade diese Frage, ob und wie sich ein solches Objektiv auf Fernreisen unterbringen lässt, das Kaufverhalten sehr beeinflussen.
Nur leicht ist das neue Zoom nicht wirklich geworden. Es wiegt satte 3,62 kg! Da schlägt sich das aktuelle, nur 2350 g schwere 2,8/300 L IS MK II mit den Konvertern etwas besser. Das ist natürlich nicht so flexibel wie ein Zoom. Nun sollte ich ein Zoom dieser Art nicht mit einer lichtstarken Festbrennweite vergleichen. Aber mit den von mir verwendeten Konvertern liegt man im genau demselben Brennweitenbereich bei gleicher Lichtstärke. So lag der Vergleich doch nah, hier die Brennweiten in Verbindung mit den beiden Konvertern 2,8/300 +1,4 fach = 4,0/420 oder mit 2 fach = 5,6/600mm zu vergleichen. Nun ist ein Zoom konstruktionsbedingt wohl immer etwas schwerer als eine Festbrennweite. Das konnten auch die mit Sicherheit akribisch daran arbeitenden Canoningenieure nicht ändern. So liegt das Objektiv zwar sehr ausgewogen in der Hand, aber ohne ein Einbeinstativ als Unterstützung macht es auf die Dauer nicht wirklich Spaß, damit frei Hand zu fotografieren.
Nur nebenbei bemerkt, wiegt das neue 4,0/500 L IS MK II nur knappe 3,2 kg. Und selbst das neue 4,0/600 L IS MK II, trennen nur noch schlappe 300gr. Mehrgewicht zum Zoom. Aber dafür hat man ja schon mit dem einschwenkbaren 1,4fach Extender einiges an Brennweite am Start und ist natürlich mit den dazwischenliegenden Brennweiten sehr flexibel.
So, nun zu der wichtigsten Frage für mich, was leistet das Zoom optisch? Wie steht es um die Brillanz und Feinstauflösung auch mit angesetztem Konverter? Macht sich der einschwenkbare Konverter optisch bemerkbar, oder bleibt die Linse extrem gut bei allen Brennweiten….Fragen über Fragen die ich versuchte in den letzten Tagen abzuklären. Bei der ambitionierten Preisgestaltung (Canon verlangt zurzeit der Markteinführung 11.799,-Euro) erwartet man natürlich auch absolute Topleistung!

Bildqualität

Eines sei schonmal vorweg gesagt, ich war wirklich selbst sehr überrascht, was die Optik an Auflösung und Brillanz bereit hält. Dass Canon Zoomobjektive bauen kann war klar, die Neuauflage des aktuellen 2,8/70-200 L IS MK II ist ja auch sehr gut gelungen. Aber was ich hier zu sehen bekommen habe, hat mich dann doch fast umgehauen. Egal bei welcher Brennweite, ob mit dem internen 1,4 fach Extender oder zusätzlichen 1,4fach oder 2fach Extendern gearbeitet wurde, die Bildqualität ist wirklich beeindruckend. Das Objektiv liefert durch die Bank hochauflösende Bildergebnisse ab. Mit eingeschwenktem 1,4fach Extender liegt es auch bei 560mm und Offenblende 5,6 quasi auf Festbrennweiten-Niveau. Es stellt blitzschnell scharf und auch bei eingeschwenktem Konverter ist es nur unmerklich langsamer vom AF her wie ohne Extender. Selbst mit dem zusätzlichen 2fach Konverter MK III (ohne eingeschwenktem 1,4fach) – also quasi das 8/400-800mm – liefert das Objektiv immer noch sehr scharfe und detailreiche Bilddateien ab. Der AF sowie auch der Bildstabilisator funktionieren dann immer noch hervorragend. Bei der von mir verwendeten 5D MK III ist der AF auch noch ausreichend schnell für fast alle anfalldenden fotografischen Situationen im Wildlifebereich. Natürlich sind schnelle Verfolgungsjagden mit präzisem AF dann bei Blende 8, mit nur noch einem AF-Feld, wie zb. Vögel im Flug, nur noch bedingt möglich. Für solche speziellen Anwendungen gibt es ja auch lichtstärkere Objektive im Canonprogramm. Auch das sogenannte Bokeh (Hintergrundwiedergabe) im Unschärfebereich ist sehr gut gelungen. Es zeichnet weiche Übergänge. Gröbere Strukturen im Hintergrund wie Buschwerk oder Gras sehen weich und homogen aus. Dafür sorgt wohl die neue SWC Vergütung in Verbindung mit UD und Fluoridlinsen sowie die kreisrunden 9 Blendenlamellen. Auch die Gegenlichtempfindlichkeit ist für ein Zoom dieser Bauart mit der doch recht kurzen Gegenlichtblende, extrem gut gelungen. Keine Reflexionen oder Geisterbilder fallen störend auf. Chromatische Aberration oder unschöne Farbsäume sind auch bei Offenblende quasi nicht vorhanden.

Nachtrag

Als kleiner Nachtrag sei noch gesagt, dass ein Pendant von Nikon mit ähnlichen Abmessungen (nur ohne einschwenkbaren 1,4fach Extender) schon seit ein paar Jahren auf dem Markt ist. Mittlerweile sogar auch als Update die Version II, die genaue Bezeichnung lautet  Nikon 200-400 1:4 G ED-IF AF-S VR Zoom. Sie ist bei den Nikonfotografen sehr beliebt und bringt auch gute Ergebnisse. Aber besonders die bei einigen Exemplaren aufgetretene, schwächelnde Offenblende und die nur bedingte Konvertertauglichkeit wurden in diversen Internetforen von dem ein oder anderen Nikonjünger auch oft bemängelt .Ebenso war auch vom leidigen Thema Serienstreuung zu hören. Ich habe einen Kunden, der mittlerweile erst nach dem dritten Objektiv wirklich zufrieden war. Nikon war zwar bemüht, aber ärgerlich ist das trotzdem. Ich selbst hatte es auch schon das ein oder andere mal auf Workshopveranstaltungen oder hier vor Ort und konnte mir so ein Bild von der Linse machen. Mich konnte es nie im Vergleich zu den Festbrennweiten so richtig überzeugen. Fairerweise sei aber auch gesagt, das es preislich mit nur ca. 6500,- Euro veranschlagt ist. Das Canonzoom ist quasi dem Nikonzoom in fast allen Bereichen deutlich überlegen und wurde wohl auch so gewollt im Hochpreisqualitätssegment angesiedelt und als konkurrenzlos konzipiert. Ob das den fast doppelt so hohen Preis, gegenüber dem Nikon-Pendant rechtfertigt, sei mal dahingestellt.
Ich hoffe sehr, das Canon den hohen Qualitätsanspruch hält und das Thema Serienstreuung die es eben auch bei Canon gab, nun endgültig abgelegt hat . Ebenso wünsche ich mir das Canon nicht die Bodenhaftung bzw. die Realität zu momentanen Preisgestaltung verliert. Es ist schon richtig frech was Canon da seinen Kunden zumutet und es scheint auch so, als wäre die Nachfrage dieser wirklich einmaligen Optik eher verhalten. Kein Wunder, das Objektiv zahlt man eben nicht mal so aus der Portokasse.

Fazit

Zum Abschluss bleiben eigentlich nur wenige Fragen offen. Mußte es so extrem teuer sein und reicht diese eine Optik nun für fast alles was im Wildlifebereich anfällt aus? Ist es wirklich das Objektiv für alle Fälle bzw. die eierlegende Wollmilchsau? Kann ich nun getrost auf ein lichtstarkes 500er oder 600er verzichten? Nun, diese Fragen kann ich sicher nicht an dieser Stelle und nach so kurzer Zeit befriedigend beantworten. Ich sage es mal so, für unglaublich viele Anwendungsmöglichkeiten ist das neue Superzoom sicher eine feine Angelegenheit. Wo Geld vorhanden ist bzw. die Leidensfähigkeit sich die Summe anzusparen kein Problem darstellen, da macht mit diesem tollen Zoomobjektiv bestimmt nichts verkehrt. Man deckt einen großen und vielseitigen Brennweitenbereich ab, in einer bis jetzt nie dagewesenen Bildqualität. Aber für viele Fotografen die eben oft im Bereich von 600mm und mehr unterwegs sind, ist es wohl keine Dauerlösung. Wer möchte schon im unteren Brennweitenbereich so einen schweren Klotz zusätzlich mit sich schleppen? Hier wären dann ein 2,8/70-200 L IS oder 5,6/100-400 L IS die bessere Wahl. Denn wohl kaum ein Fotograf möchte eine Fernreise mit diesem doch recht schweren Zoom und einem zusätzlichen, schweren 600er antreten. Daher sollte man es sich wirklich genau überlegen ob und überhaupt so eine Linse die eigenen Ansprüche auch zu 100 % abdeckt. Ob es „mein Liebling“ im Canonobjektivsegment wird, wage ich jetzt noch nicht zu sagen, die Zeit wird es zeigen. Ansonsten würde ich mal sagen hat Canon alles richtig gemacht, ein wirklich einmaliges Objektiv das eben auch einen einmaligen Preis hat…

Canon Tele 500 und 600
Tamron Superzoom 150-600